Signa-Pleite zieht Kreise – Wo René Benko sein Geld versteckt hat (2024)

Wie viel Geld hat der Pleitier eigentlich noch? Es steckt in vier Stiftungen, zwei davon in Liechtenstein, die kaum zu knacken sind. Doch sogar in Vaduz wird ermittelt.

Michael Kläsgen und Uwe Ritzer

Signa-Pleite zieht Kreise – Wo René Benko sein Geld versteckt hat (1)

Auf ihrem Fachgebiet ist Karin Fuhrmann top. 2019 wurde sie zum dritten Mal als «Steuerberaterin des Jahres» in Österreich ausgezeichnet, in der Kategorie Immobilien und Bauwirtschaft. Eine gefragte Expertin, deren Arbeit allerdings zunehmend kritische Fragen aufwirft.

Es geht um Hilfsdienste für ihren Duzfreund René Benko. Fuhrmann gehört zum innersten Kreis um den gestrauchelten Investor. Seit 2003 arbeitet sie für ihn und seit 2011 ist sie sogar Vorständin der Familie-Benko-Privatstiftung mit Sitz in Innsbruck. Als solche trat Fuhrmann Ende März den Gang zum Konkursgericht an, denn die Stiftung ist zahlungsunfähig. 854 Millionen Euro Schulden stehen 21,5 Millionen Aktiva gegenüber.

Bislang sind vier Privatstiftungen bekannt, die Benko und seiner Familie zuzuordnen sind. Vieles deutet darauf hin, dass diese Stiftungen im mutmasslich 1000 plus x Gesellschaften umfassenden Schattenreich des René Benko wichtige Stellwerke waren – und zum Teil bis heute sind. Sie operierten exakt an den Schnittstellen zwischen dem Signa-Firmenkonglomerat und der Familie Benko.

Sie dienten nicht nur als gut abgeschirmte Vermögensbunker, sondern es wurden auch grosse Transaktionen über sie abgewickelt. Und die grosse Frage wird sein, ob Gläubiger jemals Zugriff auf Stiftungsvermögen erhalten werden.

Die nach der Tochter benannte Stiftung besitzt zwei Flugzeuge

In Innsbruck ist neben der insolventen Familienstiftung auch eine nach Benkos ältester Tochter benannte Laura-Privatstiftung registriert. Ihr gehört etwa jener gut 30 Meter lange Privatjet, ein 14-Sitzer des Typs Bombardier Global XRS, der gerade für 19 Millionen Euro zum Verkauf steht. Zwei weitere Privatstiftungen befinden sich im Fürstentum Liechtenstein.

Benkos Mutter Ingeborg ist Hauptstifterin der dortigen Ingbe, bei der Sohn René dem Stiftungsakt zufolge nur eine Nebenrolle zu spielen scheint. Die zweite in Vaduz registrierte Privatstiftung heisst Arual (der Begriff ist der Name Laura rückwärtsgeschrieben). Die Arual ist weitaus intransparenter als die anderen drei Stiftungen, sie ist gewissermassen unsichtbar.

Alle vier rücken umso stärker in den Mittelpunkt, je mehr sich die Justiz mit Benkos Geschäften befasst. Es gibt zahlreiche Zivilklagen und Strafanzeigen gegen den Tiroler. Zudem sind Strafermittler in Österreich, Deutschland und sogar in Liechtenstein aktiv. In Deutschland ermitteln gleich mehrere Staatsanwaltschaften, jene in München geht einem Geldwäscheverdacht nach.

In Wien hat die Wirtschafts- und Korruptionsstaatsanwaltschaft (WKSta) vor wenigen Tagen Ermittlungen wegen eines möglichen Kreditbetrugs eingeleitet. Und in Liechtenstein bestätigte die Staatsanwaltschaft «Vorerhebungen gegen eine natürliche und eine juristische Person sowie unbekannte Täter». Der Verdacht laute Geldwäsche und betrügerische Krida. Letzteres steht für «betrügerische oder grob fahrlässige Herbeiführung der Zahlungsunfähigkeit durch einen Schuldner».

Benko weist alle Anschuldigungen zurück. «Die Vorwürfe, die hier erhoben wurden, sind haltlos und werden vollumfänglich zurückgewiesen», sagte sein Anwalt Norbert Wess zu den Wiener Ermittlungen. Nichts sei illegal gelaufen. Für alle Ermittlungen gilt die Unschuldsvermutung.

Unangenehm könnte die Causa Benko auch für Liechtenstein werden

Nachdem Benko Anfang April einer Einladung in einen Untersuchungsausschuss im österreichischen Parlament nicht gefolgt war, zitierten ihn die Parlamentarier für diesen Mittwoch ein zweites Mal zu sich. Doch am Montag sagte Benko erneut ab. Begründung: Er müsse in seinem persönlichen Insolvenzverfahren selbst vor Gericht in Innsbruck erscheinen. Nun denken erste Abgeordnete laut über Zwangsmassnahmen nach.

Unangenehm könnte die Causa Benko auch für Liechtenstein werden. Das 40’000 Einwohner kleine Land wäre gern den Ruf als Steueroase und Paradies für fragwürdige Geldgeschäfte los. Bisher war man erleichtert, in Zusammenhang mit dem Niedergang von Benko und seinem Signa-Imperium nur am Rande vorzukommen. «Es wäre schön, wenn wir wenigstens einmal bei einem internationalen Finanzskandal aussen vor wären», sagt einer, der dort einige Jahre politische Verantwortung trug.

Doch inzwischen sind fragwürdige Deals bekannt geworden, bei denen Spuren nach Liechtenstein führen. Den österreichischen Medien «News» und «Kronen Zeitung» zufolge lagerte in den Safes der staatlichen Landesbank LLB, der fürstlichen LGT und der privaten VP-Bank zeitweise Gold aus Stiftungsbeständen im Wert von 45 Millionen Euro. Von Millionenbeträgen in bar ist zudem die Rede, und im Juni 2022 sollen sich obendrein 23 Millionen Euro auf Konten befunden haben.

Bezahlt wurde auch mal mit Luxusvillen

Und dann sind da über Liechtenstein abgewickelte Transaktionen. Im August 2023, als das Signa-Imperium nach Ansicht von Kritikern bereits wackelte, verkaufte die Ingbe-Stiftung Aktien an der Signa Prime Selection für 46 Millionen Euro an die Signa Holding. Wobei das Geld für die durch die Insolvenz der Signa Holding kurz darauf wertlosen Anteilsscheine nicht in bar floss, sondern als Betongold – in Form von Luxusvillen im mondänen Urlaubsresort Eden Resort in Gardone Riviera am Gardasee.

Die 2008 – also zwei Jahre nach der Umfirmierung von Benkos Immofina in Signa – gegründete Arual-Stiftung soll ihrerseits 2021 zeitweise Gold für 7,8 Millionen Euro gehortet haben und in Grundstücksgeschäfte involviert gewesen sein. Über ein verschachteltes Konstrukt mit einer Schweizer und einer Luxemburger Firma soll sie «News» zufolge auch Eigentümerin der Villa Ansaldi in Sirmione am Gardasee sein, die Benkos privates Refugium und gleichzeitig offizielle Italien-Repräsentanz von Signa war.

Was die Arual auffällig macht: Sie ist – anders als die Ingbe – nicht in das öffentlich einsehbare Behördenregister in Vaduz eingetragen, wo normalerweise Stifter, Stiftungsvorstand und Stiftungszweck für jeden einsehbar hinterlegt sind. Wie kann das sein? Wie passt das zum Anspruch Liechtensteins, keine Steueroase mehr zu sein, kein verschwiegener Finanzplatz, auf dem Ausländer Vermögen besonders effektiv verstecken können?

Nachfrage bei der Regierung in Vaduz. «Privatnützige Stiftungen», holt einer ihrer Sprecher aus, dienten «überwiegend privaten oder eigennützigen Zwecken». Das gelte vor allem für Familienstiftungen, deren Vermögen «ausschliesslich der Bestreitung der Kosten der Erziehung, Bildung, Ausstattung oder Unterstützung von Angehörigen einer oder mehrerer Familien oder ähnlichen Familieninteressen dienen».

Solche Stiftungen müssten lediglich angezeigt werden. «Solange hinterlegte Stiftungen kein nach kaufmännischer Art geführtes Gewerbe betreiben, besteht auch kein entsprechender Geschäftsverkehr und daher keine Eintragungstagungspflicht», so der Regierungssprecher.

Eine Stiftung dient als Bastion, falls alles andere zusammenbrechen sollte

Doch die Arual war geschäftlich aktiv, zumindest deuten die Geschäfte um Grundstücke und die Villa Ansaldi darauf hin. Sie sei Teil eines Liechtensteiner Schutzwalls, mit dem René Benko sich gegen das Risiko eines «Konkurs-Tsunamis» habe absichern wollen, schrieb die «Kronen Zeitung». Sie verwies auf ein von der Benko-Vertrauten Karin Fuhrmann erstelltes Gutachten.

Demzufolge soll die Innsbrucker Laura-Privatstiftung die Stifterin der Arual sein und deren «alleinige und ausschliessliche Erstbegünstigte». Bräche die Laura-Stiftung zusammen, gäbe es «natürliche Personen als Anwartschaftsberechtigte auf die Begünstigung der Stiftung». Arual wäre also die Bastion, falls alles andere zusammenbrechen sollte.

Per se sind Liechtensteiner Stiftungen probate Instrumente, um grosse Vermögen diskret und steuersparend zu bunkern und zu verteilen. Nach einem Daten-Leak 2008, bei dem weltweit Tausende Steuerhinterzieher wie der damalige Deutsche-Post-Chef Klaus Zumwinkel aufflogen, sank ihre Zahl von mehr als 30’000 auf knapp 8000.

Grund dafür war, dass sich Liechtenstein unter internationalem Druck gegenüber vielen Staaten wie Deutschland verpflichtete, Zinseinkünfte ausländischer Anleger automatisch an deren Heimat-Finanzbehörden zu melden. Doch wenn es hart auf hart kommt, ist es für ausländische Ermittler schier unmöglich, Privatstiftungen wie Ingbe oder Arual zu knacken. Für Insolvenzverwalter ohnehin.

Verbirgt sich hinter Ingbe und/oder Arual also wieder eines der vielen ebenso komplizierten wie raffinierten Konstrukte im Reich des René Benko? Zumindest sollten sich Gläubiger wenig Hoffnung machen, etwas von den Liechtensteiner Stiftungen zu bekommen. Rechtlich sind sie selbstständig. Gebunkertes Vermögen gehört nicht den Stiftern, sondern der Stiftung. Was damit geschieht, entscheiden die Stiftungsvorstände autark. Und das sind meist Treuhänder und Vertraute der Stifter.

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