Mega-Yacht, Picasso, Palazzo: René Benko war nur das Beste gut genug (2024)

Der österreichische Unternehmer René Benko war der prominenteste Immobilien-Tycoon Europas. Doch jetzt zerfällt das Signa-Imperium des Schulabbrechers. Eine Geschichte über Statussymbole, Filzwirtschaft, kreative Buchhaltung – und Banker, die sich blenden liessen.

Eva Konzett

6 min

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René Benko war nie jemand, der die Öffentlichkeit suchte. Er war stets ein Superreicher, dessen Reichtum man nicht sah. Das lag vor allem daran, dass der österreichische Immobilieninvestor ein Leben ohne Berührung mit der Mehrheitsgesellschaft führte. Kontaktlos sozusagen.

Wenn René Benko reiste, dann nahm er die ihm eigene, schneeweisse Bombardier-Global-Express-Maschine.

Wenn Benko Ferien machte, dann tat er dies auf seiner Jacht «Roma». Sie ist mit 62 Metern mehr als doppelt so lang wie ein Waggon der ÖBB.

Mit seiner Familie wohnt der Immobilieninvestor am Fusse des Patscherkofel-Gipfels auf dem sogenannten Sonnenplateau in Igls, fünf Kilometer von seiner Heimatstadt Innsbruck entfernt. Dafür liess Benko ein Schlösschen abreissen. Nur die Schlossmauer blieb stehen: Sichtschutz. Selbst seine Kunstsammlung hielt Benko geheim (siehe Box).

Diskretion könnte man das nennen, oder einen Elfenbeinturm.

Dass Benko jetzt seit Wochen völlig abgetaucht ist, dass für Journalisten nicht einmal mehr die Signa-Holding, also sein Unternehmen, erreichbar ist, das hat aber andere Gründe.

Es hat mit einem offiziellen Antrag zu tun, der am vergangenen Mittwoch um 11 Uhr 02 beim dafür zuständigen Wiener Handelsgericht eintraf.

Denn an jenem Tag beantragte die Signa Holding, das Dachunternehmen der verschachtelten Signa-Unternehmensfamilie, ein Sanierungsverfahren in Eigenregie. Es gab also unter der Geschäftszahl 6 S 193/23h die Zahlungsunfähigkeit bekannt. 90 Tage lang hat die Signa Holding nun Zeit, die Gläubiger von einer Schuldenquote von 30 Prozent und einem Zukunftskonzept zu überzeugen.

Er besass die schönsten Immobilien der Welt

Der Tiroler Bub René Benko, dem seine Bewunderer einen besonderen Instinkt für das gute Geschäft nachgesagt haben und der sich die schönsten Immobilien der Welt – darunter das Chrysler Building in New York, das Hotel Bauer in Venedig, das KaDeWe in Berlin – herausgepickt hat, der Mann, dem ohne Ausbildung oder Stammbaum trotzdem alles zu gelingen schien, steht vor seinem kaufmännischen Ende. Wolkenbruch über dem österreichischen Wunderwuzzi.

Mega-Yacht, Picasso, Palazzo: René Benko war nur das Beste gut genug (2)

Was ist da passiert?

Akut bleiben viele Fragen unbeantwortet. Inwiefern sind die Tochterfirmen der Signa-Holding betroffen (die ersten haben schon externe Sanierungsberater geholt)? Werden die Gläubiger dem Sanierungsplan zustimmen (eher unwahrscheinlich)? Werden die ehemaligen Mitarbeiter und Investoren versuchen, René Benko persönlich zur Verantwortung zu ziehen (nicht auszuschliessen)?

Fest steht nur: Der Signa Holding fehlen 4,94 Milliarden Euro. Es ist die grösste Firmenpleite der österreichischen Zweiten Republik. Als Gründe führen die Signa-Leute die hohen Kreditzinsen und die strauchelnde Immobilienwirtschaft, also externe Faktoren, an.

Das ist aber nur die Hälfte der Geschichte. Die andere geht so: Die Signa Holding hat buchhalterische Aufwertungen aus Immobilienprojekten zu realen Gewinnen für die Gesellschafter gemacht. Der Immobilienkonzern hat Luftschlösser gebaut und dafür laufend frisches Geld gebraucht, das mittlerweile weder Banken noch Investoren mehr zu geben bereit sind. Die Schweizer Privatbank Julius Bär allein hat offenbar 606 Millionen Franken bei Signa offen. 70 Millionen Franken hat das Institut für faule Kredite zurückgestellt.

Benko blieb ein Phantom in seinem Imperium

Formal trifft René Benko für diesen Schlamassel keine Schuld. Seit zehn Jahren übt der Firmengründer keine operative Funktion bei der Signa Holding oder bei einer der Töchter mehr aus. Ins Tagesgeschäft sei er jedenfalls «nicht mehr involviert», erklärte Benko höchstpersönlich in einem Untersuchungsausschuss des österreichischen Parlaments noch im Oktober 2022. Er halte nur indirekt über Stiftungen die Mehrheit.

Das war zumindest geflunkert. Benko war bis zuletzt eben nicht passiver Gesellschafter, sondern der Patriarch in der Signa Holding, wahrscheinlich war er der Einzige, der das Unternehmensdickicht aus mehreren Sparten und 1000 Töchtern überhaupt noch durchschauen konnte. Intern nannten ihn seine Mitarbeiter nur «RB». Und über den Tisch von «RB» liefen die Entscheidungen – ausnahmslos.

Immer ein bisschen rücksichtsloser, tollkühner, in Geschäftsfragen dreister als die anderen.

Wer also ist dieser René Benko? Wie konnte er zu einem der auffallendsten Immobilienunternehmer Europas aufsteigen? Wer hat ihm den Steigbügel gehalten? Und vor allem: Wie tief kann er fallen?

Benko kam im Mai 1977 in Innsbruck, Tirol, in bescheidene vier Wände zur Welt. Seine Eltern arbeiteten bei kommunalen Betrieben, mit einer älteren Schwester wuchs er im Gemeindebau auf. Die Handelsakademie brach Benko kurz vor der Matura ab, baute stattdessen schon mit 17 Jahren Dachböden zu Luxuswohnungen um. Ein riskanter Hotel-Deal rund um das Gesundheitshotel Lanserhof bei Innsbruck machte den Mann dann noch vor seinem 20.Geburtstag zum Schilling-Millionär.

Das Instrumentarium des Verkäufers, das Keilen, das Schmeicheln, das Überzeugen, hat Benko beim umstrittenen Finanzdienstleister AWD gelernt. Es soll seine kaufmännische Lebensschule werden.

Protzkarossen und politische Patronage

Auffallend sind dabei zwei Dinge, die Benkos Aufstieg begleiteten. Zum einen die Statussymbole – Benko fuhr schon in den Tiroler Tagen Ferrari, flog in der Businessclass von Innsbruck nach Wien und zurück. Und zum anderen eine gehörige Portion politische Patronage. Schon sein erstes richtig grosses Projekt, die Neugestaltung des Kaufhauses Tyrol in der Innsbrucker Maria-Theresien-Strasse, schob 2008 offenbar der damalige Bundeskanzler Alfred Gusenbauer an.

Als Gusenbauer im selben Jahr aus der Politik ausschied, bot Benko ihm ein zweifaches Ausgedinge. Ein offizielles als Aufsichtsrat in zweien der Signa-Töchter. Ein inoffizielles als Berater. Mehr als sieben Millionen Euro soll Gusenbauer mit Benko ausserdienstlich verdient haben, indem er – Gusenbauer – sein Telefonbuch offerierte und Kredite gegen Erfolgsprovisionen einfädelte, das hat das österreichische Magazin «News» kürzlich aufgedeckt. Auch der ÖVP-Kanzler Sebastian Kurz hat für Benko gearbeitet. Er soll einen Investor aufgetrieben haben – inklusive einer Vermittlungsgebühr in Millionenhöhe. Das war 2023.

Auch mit Kunst verspekuliert

Notverkäufe

Name Benko mindert den Wert der Sammlung

Als Sammler ist René Benko bisher kaum aufgefallen, als umtriebiger Investor umso mehr. Als solcher wollte er wohl auch in Kunst diversifizieren. Just zu dem Zeitpunkt, als seine Signa für Galeria Karstadt Kaufhof aus dem deutschen Corona-Rettungsschirm 460 Millionen Euro bekam, ersteigerte er gemäss «News» über seine Privatstiftung Laura beim Auktionshaus Christie’s im März 2021 ein Selbstporträt Jean-Michel Basquiats und im Juni Picassos Gemälde «L’Étreinte» (Umarmung) von 1969. Für den Basquiat bezahlte er 10,55 Millionen Euro,für den Picasso waren es 17,12 Millionen Euro; beides stolze Summen, die sich wohl gerechnet hätten, wenn die Werke nach ein paar Jahren in einen boomenden Kunstmarkt eingeliefert worden wären. Im Moment verhalten sich Kunstkäufer jedoch eher abwartend. Dazu kommt, dass Benko kein Brand ist, von dem man unbedingt etwas haben möchte, wie etwa ein Brad Pitt, der seit langem sammelt. Wenn die Sammlung rund 30 Millionen Euro schwer sein soll, wie es heisst, passt da vielleicht noch der unbekannte Warhol rein, der ebenfalls verkauft werden soll. Das geht im Moment nur über private Verkäufe. Und wer da zulangt, wird wissen, wie er die Preise drücken kann. Gerhard Mack

Ständige politische Flurpflege betrieb ausserdem der sogenannte Signa-Beirat, ein formal nicht haftendes Gremium aus Ex-Politikern und Bankvorständen im Ruhestand. Gusenbauer sass da ebenfalls drin. Oder die ehemalige FPÖ-Politikerin Susanne Riess-Hahn. Signa ging – wenn man so will – durchaus aktiv auf Entscheidungsträger zu, lud sie zum Jagen ein, auf «Niederwild» und zum «Entenputzen». Und hochoffiziell traf sich die österreichische Prominenz einmal jährlich zum «Törggelen» im Signa-Nobelhotel Hyatt, mitten in der Wiener Innenstadt, am geschichtsträchtigen Platz «Am Hof».

Von hier hatten im Hochmittelalter die Babenberger über ihre Lande geherrscht, seit 2009 lud der Immobilienkönig Benko zur Erntedank-Zeit zu kalter Wurst und jungem Wein. Die Einladungsliste für 2019 umfasst etwa die damalige Bundeskanzlerin, den Wiener Bürgermeister, Vertreter aller Parlamentsparteien (die Grünen erschienen nicht), einen ehemaligen Chef der Österreichischen Notenbank, Medienmanager, Models, Wirtschaftsbosse und DJ Ötzi.

Die ganze Republik tanzte an

An diesem 13.November 2019 war Benko am Gipfel angelangt. Ein halbes Jahr zuvor hatte er das markante Chrysler-Building zur Hälfte erworben, am Ende des Jahres würde er die beiden deutschen Kaufhausketten Galeria Kaufhof und Karstadt miteinander verschmelzen. Von der bevorstehenden zweifachen Pleite des so neu entstandenen Unternehmens, von den Hunderten Millionen Euro aus den Rettungsschirmen des deutschen Staates während der Covid-Krise, sprach damals noch niemand. Ein junger österreichischer Kanzler sonnte sich noch im Licht des jungen österreichischen Erfolgsunternehmers. Die Signa-Tochter Prime Selection AG allein schüttete in diesem Jahr 201 Millionen Euro an Dividenden aus.

Doch einem jeden Gipfel folgt der Abstieg. An diesem Novembertag 2019, als die «ganze Republik» (ein anwesender Banker) noch mit Benko beim Törggelen feierte, deutete sich der Weg nach unten jedenfalls schon an. Schon in diesem Jahr stellte die österreichische Finanzmarktaufsicht kritische Fragen zur Kreditwürdigkeit von Signa. Vorab nur in internen E-Mails.

Vier Jahre später kann man zuschauen, wie das Signa-Kartenhaus zusammenfällt. Die Dachholding ist zahlungsunfähig, sie könnte weitere Töchter mitreissen. Und René Benko? Er hat sein Vermögen in Privatstiftungen umgeschichtet. Solange ihm kein Staatsanwalt strafrechtliche Verfehlungen vorwerfen kann, wird Benko sorglos weiterleben. Als Buhmann. Aber reich.

Die Autorin leitet das Politikressort der Wiener Wochenzeitung «Falter».

Ein Artikel aus der «NZZ am Sonntag»

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Author: Dr. Pierre Goyette

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