Eurovision Song Contest: ESC-Ausschluss Israels gefordert – EBU lehnt ab (2024)

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Eurovision Song Contest: ESC-Ausschluss Israels gefordert – EBU lehnt ab (1)

Dass der Eurovision Song Contest (ESC) eine unpolitische Veranstaltung sei, wie es in den Statuten steht, ist eine Art konstitutive Lebenslüge des europäischen Musikwettbewerbs. Zu viele Äußerungen und Handlungen können Symbolkraft gewinnen, wenn rund 40 Länder gemeinsam antreten. Groß ist auch die Verlockung, das Wettsingen politisch aufzuladen. Doch am Ende scheint den Organisatoren oft nichts anderes übrigzubleiben, als das Mantra von der unpolitischen Veranstaltung anzustimmen, um Diskussionen einzufangen.

Eine solche Diskussion hat sich entwickelt nach dem abscheulichen Hamas-Angriff auf Israel am 7. Oktober und der militärischen Reaktion Israels darauf mit katastrophalen humanitären Folgen im Gazastreifen. Insbesondere in den nordischen Ländern mehren sich die Stimmen, die einen Ausschluss Israels vom Eurovision Song Contest fordern.

Moment, es ist doch ein europäischer Wettbewerb – wieso ist Israel eigentlich dabei?

Der ESC wird ausgerichtet durch die Europäische Rundfunkunion (EBU), ihre Mitgliedsanstalten dürfen am Wettbewerb teilnehmen. Die Israel Broadcasting Authority wurde 1957 Vollmitglied der EBU (woraufhin sich die ägyptische und syrische Anstalt zurückzog, Ägypten ist heute aber wieder Mitglied). Seit 2017 gibt es nach politischen Reformen eine neugegründete öffentlich-rechtliche Rundfunkbehörde in Israel, KAN, auch sie gehört der EBU an. Auch im Sport tritt Israel in europäischen Wettbewerben an. Beim ESC wiederum war 1980 einmal Marokko dabei, und nach der Auflösung der Sowjetunion die asiatischen Staaten Georgien, Armenien und Aserbaidschan. Australiens Sender SBS ist zwar nur assoziiertes Mitglied der EBU, nimmt aber auf deren Einladung seit 2015 am Eurovision Song Contest teil.

Gab es schon mal Diskussionen um die Teilnahme Israels beim ESC?

Israel nimmt seit 1973 am Eurovision Song Contest teil. Das jordanische Fernsehen brach 1978 die Übertragung ab, als sich in der Abstimmung abzeichnete, dass der israelische Beitrag gewinnen würde.

2018 war der bisher letzte Sieg Israels beim ESC durch Netta und ihr Lied »Toy«. Im folgenden Jahr fand die Veranstaltung in Tel Aviv statt. Im Vorfeld gab es aus dem Umfeld der BDS-Bewegung Forderungen, die Show zu boykottieren. Einen offenen Brief, der im »Guardian« veröffentlicht wurde, unterzeichneten unter anderen die britischen Musiker Roger Waters und Brian Eno, der Filmemacher Ken Loach und die Schriftstellerin A.L. Kennedy, Olof und Karin Dreijer vom Elektro-Pop-Duo The Knife, die norwegischen Musiker Nils Petter Molvær und Bugge Wesseltoft, der spätere isländische ESC-Teilnehmer Daði Freyr, Sängerin Elli Medeiros und Comiczeichner Tardi aus Frankreich und der belgische Klassik-Pop-Crossoversänger Helmut Lotti.

Eurovision Song Contest: ESC-Ausschluss Israels gefordert – EBU lehnt ab (2)

Letztlich zog kein Land die Teilnahme zurück. Pausen-Stargast Madonna ließ ihre Tänzer die palästinensische und die israelische Flagge zeigen. Die isländischen Teilnehmer, die Band Hatari, wurden im Green Room gezeigt, wie sie Palästina-Banner hochhielten. Im Saal gab es dafür Buhrufe, gegen die isländische Rundfunkanstalt RÚV wurde später eine Strafe von 5000 Euro verhängt.

Woher kommen die Ausschlussforderungen?

Die erste große Protestwelle kam auch diesmal aus Island. Am 11. Dezember veröffentlichte der Verband der Komponisten und Liedtexter des Landes eine Aufforderung an den isländischen Rundfunk, nur dann am ESC 2024 teilzunehmen, wenn Israel ausgeschlossen würde. »Wir haben alle die Pflicht, uns gegen den Krieg und das Töten von Zivilisten und unschuldigen Kindern zu stellen«, hieß es in dem offenen Brief. Zuvor hatte der Radiodirektor des Senders auf eine Petition mit 4000 Unterschriften geantwortet, dass man nach gründlicher Prüfung keinen Boykott plane. Der isländische Teilnehmer wird nach zwei Halbfinals erst am 2. März ermittelt.

Die isländischen Kollegen hatten darauf verwiesen, dass das norwegische Fernsehen eine Prüfung der Angelegenheit bei der EBU beantragt hätte. Unterhaltungsredakteur Charlo Halvorsen sagte, man werde den Einschätzungen der Rundfunkunion folgen. Beim ersten Halbfinale der Vorentscheidveranstaltung Melodi Grand Prix demonstrierten Boykottbefürworter. Eine Demonstrantin unterbrach die Sendung mit einem T-Shirt mit der Aufschrifft »Boykott Israel« und einer palästinensischen Flagge in der Hand, »wir können mehr tun«, sagte sie. Doch Rundfunkleiterin Vibeke Fürst Haugen sprach sich gegen einen Boykott aus, dieser schwäche die Glaubwürdigkeit von NRK als Nachrichtenmedium.

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In Finnland könnte der Ausgang des Vorentscheids UMK den Sender Yle in Schwierigkeiten bringen. Denn einer der acht Kandidaten, Jesse Markin, kündigte an, falls er gewinne, wolle er nicht am ESC teilnehmen, wenn Israel dabei wäre. Auch Sini Sabotage sagte der Zeitung »Helsingin Sanomat«, sie sei der Meinung, dass Israel nicht teilnehmen solle. In einer Petition forderten 1400 Musiker und Mitarbeiter aus der Musikindustrie einen Ausschluss. Israel würde mit dem Wettbewerb sein Image aufpolieren, argumentieren sie.

Weitere Aufforderungen zur Disqualifikation kommen von ehemaligen Teilnehmerinnen. La Zarra, die 2023 für Frankreich sang, forderte die Disqualifikation Israels und verwies auf die von Südafrika angestrengte Klage gegen Israel vor dem Internationalen Gerichtshof in Den Haag. Auch die Australierin Montaigne, die 2021 teilnahm, unterstützt eine Petition gegen Israel beim ESC.

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Wie reagiert die EBU?

Die Organisatoren des ESC treten den Aufrufen entgegen. »Die EBU setzt sich dafür ein, dass der Eurovision Song Contest eine unpolitische Veranstaltung bleibt, die das Publikum weltweit durch die Musik vereint«, teilten die Organisatoren am Donnerstag mit. »Es handelt sich um einen Wettbewerb für Rundfunkanstalten – nicht für Regierungen.« So oder ähnlich äußert sich die EBU seit Wochen. Die Gremien hätten die Teilnehmerliste geprüft und bestätigt, dass Israel alle Voraussetzungen für eine Teilnahme erfülle. Der öffentliche israelische Rundfunk nehme seit 50 Jahren an dem Wettbewerb teil.

In der schwedischen Zeitung »Aftonbladet« verwies die EBU auch darauf, dass sie sich in ihrer Entscheidung mit der Haltung internationaler Sportorganisationen einig sei, die Israel ebenfalls weiter teilnehmen ließen.

Was ist der Unterschied zu Russland?

Nach Russlands Angriff auf die Ukraine hatte die EBU 2022 verkündet, dass kein russischer Act zum ESC dürfe. Diese Entscheidung wird von den Befürwortern eines Ausschlusses von Israel immer wieder als Parallele vorgebracht. Eine Beteiligung Russlands am diesjährigen ESC würde »den Wettbewerb angesichts der beispiellosen Krise in der Ukraine in Verruf bringen«, erklärte die EBU seinerzeit.

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Darüber hinaus wurden die drei russischen Mitgliedsanstalten im Mai 2022 von der EBU bis auf Weiteres suspendiert. Zuvor war schon 2021 die belarussische Rundfunkanstalt für drei Jahre suspendiert worden. Die EBU habe »die Unterdrückung der Medienfreiheit in Belarus genau beobachtet«. Der Appell an das EBU-Mitglied BTRC, »unsere Kernwerte der Meinungsfreiheit, Unabhängigkeit und des Verantwortungsbewusstseins aufrechtzuerhalten«, habe nicht gefruchtet.

Verteidiger Israels verweisen darauf, dass die Kampfhandlungen im Gazastreifen – anders als die in der Ukraine – nicht unprovoziert begonnen wurden. Was die Medienfreiheit betrifft, so ist Israel in der jüngsten (vor dem Hamas-Angriff vom 7. Oktober veröffentlichten) Rangliste der Pressefreiheit von »Reporter ohne Grenzen« zwar auf Platz 97 von 180 abgerutscht. Aber Kritik an der Regierung und ihrer Kriegsführung haben Platz in den Fernsehprogrammen, auch in denen des EBU-Mitglieds KAN.

Wie geht es weiter auf dem Weg nach Malmö?

Solange der Krieg im Nahen Osten andauert, wird das Thema den Eurovision Song Contest weiter begleiten. Bisher steht nur ein kleiner Teil der teilnehmenden Interpretinnen und Interpreten fest. Mit Sicherheit werden nicht alle mit ihrer Meinung zu dem Konflikt hinter dem Berg halten. Ein Beispiel ist der britische Kandidat Olly Alexander, bekannt geworden als Sänger der Band Years & Years. Alexander zählte zu den gut 1400 queeren Personen, die ein Solidaritätsstatement für Palästina unterzeichnet haben, in dem von einem Genozid in Gaza die Rede ist und Israel als Apartheid-Regime bezeichnet wird.

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Die israelische Botschaft in London spottete, Olly Alexander habe wohl seinen Abschluss »an der TikTok-Schule des Mittleren Ostens« gemacht; ein Botschaftssprecher kritisierte die BBC im »Daily Telegraph« dafür, einen Sänger ausgewählt zu haben, der »entmenschlichende Worte über Israelis« unterschreibe. Doch die BBC betonte das Recht Alexanders, seine politische Meinung zu äußern. Er falle als Künstler auch nicht unter die Richtlinien für BBC-Mitarbeiter, was die Nutzung von sozialen Medien angeht.

Anmerkung der Redaktion: In einer früheren Fassung dieses Artikels hieß es, Israel habe 1977 erstmals am ESC teilgenommen. Die Premiere war aber schon 1973, Ilanit sang »Ey sham«. Wir haben den Fehler korrigiert.

feb/dpa

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Author: Tyson Zemlak

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