Schauspielerin Rene Russo wird siebzig (2024)

Es spricht einiges dafür, dass auch Rene Russo einmal ein Kind war, ein Teenager, ein junges Mädchen. Aber vorstellen kann man sich das nicht – nicht aus der Perspektive des Kinogängers jedenfalls, aus welcher Rene Russo, kaum hatte sie ihre ersten nennenswerten Rollen gespielt, erwachsen wirkte auf eine so unabweisbare Art, als wäre sie schon als erwachsene Frau auf die Welt gekommen. Nicht schaumgeboren, aber plötzlich aufgetaucht aus einem kinematographischen Nirgendwo.

Sie war ja Mitte dreißig, als sie in „Major League“ ihr Debüt gab und diesem bodenständigen Film den Glamour lieh. Sie war fast vierzig, als sie, neben Clint Eastwood, ihre erste große Hauptrolle spielte, in Wolfgang Petersens Thriller „In the Line of Fire“. Ihre ganze Karriere war und ist das Dementi auf die populäre Klage, wonach das kommerzielle Kino sich vom Fleisch blutjunger Frauen ernähre. Und wonach all jene, die älter als vierzig sind, bestenfalls die Tante des Helden spielen dürfen, wenn überhaupt. Vor ein paar Jahren, in „Velvet Buzz­saw“, einer klugen und sehr bösen Satire auf den Kunstbetrieb, machte sie sich kein Jahr jünger, als sie eben war. Nur dass sie, als Fünfundsechzigjährige, nicht die Seniorin spielte. Sondern eine schicke, abgebrühte Galeristin: die leading lady des Films.

Herabgestiegen von der Titelseite

Sie kam nicht aus dem Nichts. Sie war herabgestiegen von den Titelseiten der „Vogue“ oder von „Cosmopolitan“. Sie war 18 gewesen, hatte mal in der Fabrik, mal an der Kinokasse gejobbt und konnte sich kaum die Karte leisten für das Konzert der Rolling Stones, bei dem sie von einem Talentscout angesprochen wurde. Sie machte Probeaufnahmen, und dann blieb sie fünfzehn Jahre lang das, was man später Supermodel nannte. Nur dass man sich damals, in den Siebzigern und frühen Achtzigern, die Namen noch nicht merken musste: Man sah nur eine große, blonde, schöne Frau, die Abendkleider mit der gleichen Nonchalance wie Badeanzüge trug. Und in deren Blicken wenig Sanftmut war. Eher durfte man so ein Rene-Russo-Cover wie eine Aufforderung zum Duell betrachten.

Und das war es, was sie mitbrachte, als sie dann statt über den Laufsteg durch die Filmsets schritt: Sie ist groß, schon deshalb wird sie angestarrt. Sie hat gelernt, diesen Blicken standzuhalten. Sie ist noch nicht einmal von ihrer eigenen Schönheit beeindruckt – und entsprechend winzig sind die Chancen jener Männer, die ihr imponieren wollen.

Selten hat man Clint Eastwood so verstört gesehen wie in der Szene, in der Rene Russo, nachdem er die Schönheit der Sekretärinnen gelobt hat, ihm mit einem kalten, fast verächtlichen Blick mitteilt, dass sie nicht Sekretärin, sondern Agentin beim Secret Service ist. Es war ein Witz, stottert Eastwood, der spürt, dass er mit dieser Lüge nicht davonkommen wird.

So fängt „In the Line of Fire“ an, und dass die beiden dann doch ein Paar werden, liegt nur daran, dass sie, die Jüngere, auch die Stärkere ist. Wenn die beiden endlich zur Sache kommen, schaut die Kamera auf den Fußboden vor dem Bett, wo all die Munition, all die Waffen landen, die beide mit sich führen. Der Flirt mit Rene Russo, eine Abrüstungsverhandlung. Danach: die Entwaffnung.

Die Erotik der Gegnerschaft

Und im Remake von „The Thomas Crown Affair“, das seine Liebesgeschichte auch als Duell zwischen dem Kunstdieb Pierce Brosnan und der Versicherungsdetektivin Rene Russo erzählt, gibt es Momente, da man sich als Zuschauer geradezu zwingen muss, dem Film die Ebenbürtigkeit der beiden, die das Drehbuch behauptet, auch zu glauben. Zu stark ist die Präsenz von Rene Russo, die doch erst nach der Modelkarriere anfing, Schauspielstunden zu nehmen. Zu deutlich merkt man Pierce Brosnan die Mühe an, mit der er sich dagegen zu behaupten versucht. Faye Dunaway, als sie in der Originalversion die Detektivin spielte, war 27. Rene Russo war 45 – und in dieser Rolle, die von der Spannung aus Gegnerschaft und erotischer Anziehung befeuert wird, vermutlich ein bisschen besser.

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Selbst in Filmen, deren Drehbücher nicht auf der Höhe ihres Könnens waren, in „Get Shorty“ zum Beispiel, der sie einfach an der Seite John Travoltas durch die Gags und die Action laufen lässt, hat Rene Russo immer vorgeführt, wie gut sie das kann: diskret zu zeigen, dass sie auch anders könnte; sie war anders vierzig, als man das vorher im Kino gesehen hatte, anders fünfzig, anders fünfundsechzig. Heute wird sie siebzig Jahre alt, und man wünscht sich zum Geburtstag, dass sie weitermacht.

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