Lyravox Karlotta im Test: Aktiv-High-End-Lautsprechersystem für 26.800 € (2024)

Gleich zu Beginn sei mal eine ebenso ungewöhnliche wie interessante Frage gestellt. Wie sähe wohl ein HiFi-Lautsprecher aus, würde er von einem erfahrenen Raumakustiker entwickelt? Die Antwort fällt ebenso einfach wie überaschend aus: Ziemlich genau so wie die im folgenden vorgestellte Lyravox Karlotta. Anspruchsvollen Musik-Connaiseuren dürfte diese Tatsache äußerst gelegen kommen: Offensichtlich sind ästhetische Formgebung und optimale akustische Eigenschaften sehr wohl miteinander vereinbar – wenn man es richtig macht.

Zunächst mal die Fakten: Die Karlotta ist das aktuell zweitgrößte Modell im Programm der in Hamburg beheimateten Lautsprechermanufaktur Lyravox. Für knapp 27.000 Euro bekommt man mit ihr zwei ausgewachsene Standlautsprecher, die trotz ihrer leichtfüßigen Optik mit jeweils 55 Kilogramm überraschend schwergewichtig ausfallen. Zum einen liegt das an ihren massiven Kunststeinsockeln, zum anderen aber auch an ihren ungewöhnlich aufwändigen, in Mehrkammer-Bauweise gefertigten Gehäusen.

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Lyravox Karlotta sind jedoch nicht bloß zwei schicke Lautsprecher. Vielmehr handelt es sich um ein System in Aktivtechnik mit integrierten Leistungsverstärkern plus Fernbedienung. Integraler Bestandteil von Karlotta ist auch ihre Elektronik zur Signalaufbereitung. Zum einen obliegt ihr die Zuweisung der Teilfrequenzspektren für die einzelnen Chassis einschließlich deren Amplituden- und Phasenkorrektur. Darüber hinaus ermöglicht sie jedoch auch feinfühlig programmierbare Anpassungen an die jeweilige Raumakustik oder individuelle Hörpräferenzen.

Zur vollständigen HiFi-Anlage benötigen die Lyravox Karlotta daher nur noch entsprechende Programmquellen. Das dürfen ebenso analoge wie digitale sein, wobei in beiden Domänen HiFi-konforme als auch professionelle Anschlüsse zur Vefügung stehen.

Lyravox Karlotta: Form follows Function

Die Karlotta gehört zu den wenigen Lautsprechern, die obiges Prädikat uneingeschränkt für sich in Anspruch nehmen dürfen. Wohin man auch schaut – überall zeigen sich konstruktive Details mit der Zielsetzung, die von den Chassis gelieferten „PS“ akustisch möglichst effizient auf die „Straße“, sprich: an die Ohren des Hörers zu bringen. Die drei wichtigsten Kernsätze hierfür lauten:

  • akustische Ankopplung an den Raum verbessern
  • reflexionsbedingte Interferenzen vermeiden
  • Direkt-Diffusschall-Balance optimieren

Die meisten der Karlotta-typischen Konstruktionsmerkmale wirken gleich auf mehreren Ebenen. Ein Musterbeispiel hierfür ist, dass sich die Tieftöner (die man getrost als „Subwoofer“ bezeichnen kann) in Bodennähe auf der Rückseite befinden. Zum einen bewirkt dies eine gute akustische Kopplung bei tiefen Frequenzen, da hierdurch die Chassis ihre Energie effizient im Druckmaximum abgeben können.

Zum anderen reduziert die rückseitige Woofer-Anordnung deren Distanz zur dahinter befindlichen Wand. Somit verlagern sich allfällige, durch nahe Wandreflexionen bedingte Klangfärbungen (Speaker Boundary Inteference = SBIR) in Frequenzbereiche, in denen die Woofer ohnehin praktisch keinen Schall mehr abstrahlen.

Auch die relativ breite Schallwand der Karlotta ist keineswegs nur ein gestalterisches Element. Vielmehr ist sie auch in akustischer Hinsicht ausgesprochen günstig. Mit ihrer Beite von 45 Zentimeter bewirkt sie bereits bei relativ niedrigen Frequenzen oberhalb von 750 Hertz eine zunehmende Schallbündelung, was den Direktschallanteil am Hörplatz im gehörkritischen Frequenzbereich steigert. Die Folge: Bessere Ortung der Schallquellen im Stereo-Panorama – auch bei größeren Hörabständen.

Diffusschall – aber richtig

Bei herkömmlichen Lausprecherkonzepten übernehmen die auf der Schallwand befindlichen Chassis auch die Abstrahlung von Raumhallanteilen der Aufnahme – dem sogenannten Diffusschall. Schon der Begriff lässt erkennen, dass das nicht ohne Einschränkungen funktioniert. Schließlich bedeutet „diffus“ akustisch nichts anderes als „aus allen Richtungen eintreffend“. Das Problem dabei: Das menschliche Gehör nimmt frontal eintreffenden Schall (Direktschall) anders wahr als Diffusschall. Beispielsweise werden diffus einfallende Schallanteille im Frequenzbereich von etwa 1 Kilohertz vom Gehör um einige Dezibel lauter als frontal eintreffende empfunden. Entsprechend verfärbt klingt Diffusschall daher, wenn er lediglich von den Lausprechern auf der Schallwand ans Ohr dringt.

Um das zu vermeiden, verwendet die Karlotta für jeden Kanal einen weiteren, zur Raumdecke hin abstrahlenden Hochtöner. Der reichert die Reflexionsdichte und damit die diffusen Schallanteile im Raum geschickt an. was die Direkt-Diffusschall-Balance der Musikwiedergabe hörbar verbessert.

Treibende Kräfte – akustisch

Aufbauend auf ihrem schlüssigen akustischen Grundkonzept erscheint es nur konsequent, die Lyravox Karlotta mit State-Of-The-Art Lausprecherchassis zu bestücken. Das Allerbeste auf dem Weltmarkt war für sie denn auch gerade gut genug. Für die untersten zwei Oktaven ist pro Kanal jeweils ein 30-Zentimeter-Woofer vom Typ ScanSpeak 30W zuständig. Die frontal abstrahlenden Tiefmittel- und Hochtonchassis hingegen stammen allesamt vom deutschen Edelhersteller Thiel & Partner – bekannter unter dem Markennamen Accuton. Spezialität der Accuton-Schallwandler sind ihre extrem leichten, dabei formstabilen Keramikmembranen, die durch einen speziellen Fertigungsprozess dennoch eine hohe innere Dämpfung aufweisen. Die Vorteile der Accuton-Membranen: impulstreu durch geringes Gewicht, verzerrungsarm durch hohe Formstabilität sowie relativ resonanzarm durch hohe, innere Dämpfung.

Durch die rückwärtigen Subwoofer von allzu großen Membranauslenkungen befreit, können die beiden 17-Zentimeter-Tiefmitteltöner jeder Box trotz ihrer filigranen Membran gefahrlos erhebliche Laustärken erzeugen. HiFi-gerechtes, weitgehend verzerrungsfreies Hören ist mit der Lyravox Karlotta bis hin zu stattlichen 109 Dezibel (dBspl/1m) möglich – die Reserve für Spitzenschalldruckpegel noch nicht mal berücksichtigt. Auch der mit einer 30-Millimeter-Keramikkalotte bestückte Hochtöner hält in Sachen Pegelfestigkeit und Verzerrungsarmut locker mit seinen Spielpartnern mit. Selbst bei derart hohen Lautstärken bleiben seine Gesamtverzerrungen geringer als 1 Prozent.

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Treibende Kräfte – elektrisch

Solch berauschende Pegel-Feste bedürfen natürlich einiges an Verstärkerleistung. Daher hat die Lyravox Karlotta pro Box denn auch gleich ein halbes Dutzend Endverstärker mit einer Geasamt-Nennleistung von 1200 Watt an Bord. Hierfür kamen nur Class-D-Endstufen in Frage – die übrigens keineswegs digital arbeiten, wie häufig zu lesen ist. Dies jedoch nicht allein, um die Abwärme (sprich: Verlustleistung) herkömmlicher Class-AB-Verstärker zu vermeiden – vielmehr wegen ihrer überlegenen, klanglichen Qualtäten.

Letzteres gilt allerdings nur für bestimmte Typen – und genau diese gelangen bei der Lyravox Karlotta zum Einsatz. Gemeint sind die Ncore-Module vom niederländischen Herstellers Hypex, die zweifellos zu den weltweit besten Endverstärkern überhaupt zählen. Verglichen mit ihren Class-D-Konkurrenten haben sie den Vorteil, dass sich das bei Schaltverstärkern erforderliche Tiefpassfilter im Ausgang in der Gegenkopplungschleife befindet. Sprich: Ihre Ausgangsimpedanz bleibt über den gesamten Hörfrequenzbereich gering (hoher, linear verlaufender Dämpfungsfaktor). Sämtlichen anderen Endverstärkern hingegen haben sie voraus, dass bei ihnen die Gegenkopplung quasi perfekt implementiert ist: Ihre Verzerrungswerte steigen daher nicht wie üblich zu hohen Frequenzen hin an.

Weichensteller DSP

Natürlich lassen sich elektronische Filter für die Frequenzweichen von Aktiv-Lautsprechern auch in analoger Technik aufbauen. Möchte man darüber hinaus in komplexen Lautsprechersystemen auch zeitbezogene Größen wie Laufzeit- oder Phasendifferenzen kompensieren, so gelingt das kompromisslos nur mittels digitaler Signalverarbeitung. Das damit einhergehende Klangpotential lässt freilich auch die Lyravox Karlotta nicht ungenutzt. Beide Lautsprecher enthalten für die Signalverarbeitendung ein Elektronikboard, bestückt unter anderem mit einem digitalen Singalprozessor (DSP). Dieser dient primär zur Aufteilung der Frequenzspektren für die einzelnen Chassis sowie deren präziser Entzerrung. Darüber hinaus hält der DSP jedoch noch reichlich Kapazitäten für individuell konfigurierbare Filter bereit.

Um deren Programmierung brauchen sich Karlotta-Eigner jedoch nicht persönlich zu kümmern; schließlich ist dieser Vorgang „Chefsache“. Jede Karlotta wird von einem Lyravox-Team beim stolzen Besitzer nach seinen Vorgaben installiert und sorgfältig eingemessen – und zwar manuell anhand „echter“ Messungen, ausgewertet mit akustischer Expertise. Parallel dazu bauen die Hamburger ein Netz von Showroom aus; der wahrscheinlich prachtvollste entsteht bei Lyravox in Hamburg selbst, aber auch im Digital Audio Competence Center (DACC) von CM Audio kann man etliche Modelle bewundern.

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Das Einmessen dient keineswegs dazu, um Schwächen des Lautsprechers zu korrigieren. Vielmehr geht es hier um die Kompensation raumakustischer Eigenheiten oder auch um die gezielte Klangkorrektur bestimmter Tonquellen, beispielsweise von Schellack-Abspielgeräten. Aus diesem Grund lassen sich erstellte Klangpresets auch bestimmten Eingängen zuweisen, sodass sie bei der Tonquellenwahl automatisch mit aufgerufen werden – sehr praktisch.

Natürlich erfolgte auch die finale Abstimmung der Digitalsignal-Baugruppe nach audiophilen Kriterien: So entschied sich Lyravox nach umfangreichen Hörversuchen sowohl bei der Frequenzweiche als auch bei den programmierbaren Filtern durchweg für minimalphasige Digitalfilter mit Infinite-Impuls-Response-Charakteristik. Diese sind frei von sogenanntem Pre-Ringing, sprich: einem verzögertem Einschwingvorgang, der in der Natur so nicht vorkommt.

DieLyravox Karlotta im Hörtest

Es gibt viele ordentliche, meist gar nicht mal teure Lautsprecher, mit denen das Musikhören bestimmter Stilrichtungen jede Menge Spaß macht. Die HiFi-Lautsprecher jedoch, die mich spontan und nachhaltig überzeugten, dass jegliche Art von Musik genau „so“ klingen muss, kann ich trotz meines nunmehr 30-jährigen Tester-Daseins an einer Hand abzählen. Bislang waren das die Geithain RL901K; die Grimm Audio LS1s sowie die TAD Evolution One TX. Ab sofort gesellt sich ein weiterer hinzu: die Lyravox Karlotta.

Obgleich sie es locker könnte, brauchte sie ihre musikalische Überzeugungskraft keineswegs aus einem überwältigenden Klangspektakel zu schöpfen. Nach dem Motto „Wahre Schönheit kommt von innen“ sind es ohnehin eher klangliche Feinheiten, die die Authentizität einer Musikwiedergabe ausmachen. So brachte es der berühmte Audio-Pionier Siegfried Linkwitz einst auf den Punkt: „Was wir hören, sind nicht die Schalldruckänderungen am Trommelfell, sondern das, was in den sich dort überlagernden Schwingungsmustern unsere Aufmerksamkeit erregt.“

Bei der Lyravox Karlotta waren das für mich vor allem drei Eigenschaften: ihre unbedingte tonale und dynamische Souveränität, das randscharfe, außergewöhnlich fein definierte Klanggeschehen sowie die überzeugend plastische, räumliche Darstellung. Jeder, der den Raum betritt, hört sofort: Hier spielt ein höllisch guter Lautsprecher – ganz gleich, ob mit eher minimalistischer Tonkost wie das balladeske How Will I Know von Yael Naim oder mit pulsierender Deep-House-Breitseite wie etwa Midieval von A Man called Adam – man achte auf die Feinheiten während des furiosen Minimoog-Synthie-Solos ab 3 : 58 min. Und das sollte man dann auch mal richtig laut genießen…

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Subtil, aber dennoch nachhaltig wirkte das von Lyravox für dengroßen LowBeats Hörraum optimierte Klang-Preset. Aktiviert, gewann der Tiefbass an Kontur, während das akustische Zentrum mehr in Richtung Hörplatz rückte und dadurch die gefühlte Bühnentiefe zunahm. Festzuhalten bleibt jedoch: Auch ohne das Preset war der Klang der Lyravox Karlotta über jeden Zweifel erhaben.

Fazit Lyravox Karlotta

Die sublime Botschaft dieses Tests scheint freilich durch: Wahren Könnern gelingt es, bildschöne Lautsprecher zu bauen, ohne dabei essentielle akustische Abstriche zu machen. Das beweist die hier vorgestellte Lyravox Karlotta eindrucksvoll auf optische und klangliche Weise und profiliert sich dadurch als echter Ausnahmelautsprecher. Dank all ihrer Tugenden hat die Lyravox Karlotta das Zeug, ein – leider auch bei Herstellern – gängiges Vorturteil zu entkräften, dass da lautet: „Breite Lautsprecher sind unverkäuflich.“

Fraglos stimmt es, dass man für 27.000 Euro bereits einen ordentlich ausgestatteten Kleinwagen bekäme. Andererseits jedoch erhält man mit der Lyravox Karlotta nicht bloß zwei Lautsprecher, sondern ein komplettes HiFi-Anlagen-Konzept. Auf jeden Fall wird man sich schwertun, für das gleiche Budget eine klassische Kombination aus D/A-Wandler, Verstärker und Passivlautsprecher zusammenzustellen, die der Karlotta auch nur annähernd das Wasser reichen kann. Vor diesem Hintergrund darf man der Lyravox Karlotta durchaus ein angemessenes Preis-Leistungs-Verhältnis attetstieren. Gratulation nach Hamburg!

Lyravox Karlotta
2020/06
überragend
Bewertung
Klang
Praxis
Verarbeitung

Gesamt

Die Bewertung bezieht sich immer auf die jeweilige Preisklasse.
Überzeugend natürlicher, konturierter Klang
Glaubhaft dreidimensionale Abbildung
Zeitlose Optik und superbe Verarbeitung
Feinfühlig programmierbare Korrekturfilter

Vertrieb:
Lyravox Gerätemanufaktur GmbH & Co KG
Hopfensack 14
20457 Hamburg
www.lyravox.com

Preis (Hersteller-Empfehlung):
Lyravox Karlotta: 26.800 Euro

Im Beitrag erwähnt:

Test TAD Evolution One TX
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